Aus Wetteraufzeichnungen ist zu ersehen, dass schneereiche Winter mit strengem Frost etwa alle 8-10 Jahre vorkommen. Während seit den 50er Jahren nach Schneefällen Räumfahrzeuge die Straßen sofort wieder befahrbar machten, wurde in früherer Zeit gelegentlich ein hölzener Schneepflug eingesetzt, der von zwei Pferden gezogen wurde. Jedoch konnten höhere Schneelagen nicht mehr beseitigt werden. Nach starkem Schneefall ruhte fast der gesamte Straßenverkehr. Die einzigen Fahrzeuge, die die Straßen befuhren, waren morgens Milchwagen aus den Sünteldörfern, die die frische Milch zur Molkerei brachten. Konnten sie in tief gelegenen Straßenabschnitten nicht durchkommen, so versuchten sie über Felder ans Ziel zu gelangen. Auswärts beschäftigte Arbeiter, die sonst mit dem Fahrrad zur Arbeitsstelle kamen, legten den Weg bei verschneiten Straßen zu Fuß zurück. Bauhandwerker hatten im Winter meistens keine Beschäftigung.
Wo Schnee auf Straßen und Wegen nicht mit einem Schneepflug beseitigt werden konnte, weil z.B. kein Schneepflug vorhanden war, musste von jeder Hof- und Hausstelle ein Mann zum Schneeräumen an einer vom Bürgermeister angewiesenen Stelle erscheinen. Das war Ehrendienst. Bei der Arbeit wurde oft Schnaps getrunken, so dass es manchmal recht lustig zuging. Das Freimachen der Hauptstraße vom Schnee war nur wegen einiger Straßenbenutzer nötig, nämlich für den schon erwähnten Milchwagen, für Ärzte im Auto oder Kutschwagen und manchmal auch für einen Leichenzug. Natürlich waren auch die Schüler froh, wenn sie auf ihrem Schulweg nach Haddessen eine vom Schnee geräumte Straße benutzen konnten.
Hatte sich der Schneezustand normalisiert, nahmen die Waldarbeiter ihre Arbeit wieder auf. Die Bauern holten Brennholz mit Schlitten aus dem Wald. Von Knechten wurde es ofenfertig gemacht. Fast alle Haushalte nahmen damals zum Heizen nur Buchenholz. Deshalb waren bei günstigem Wetter Hausbewohner mit dem Holzhacken beschäftigt. Männer, die wegen Frost und Schnee nicht arbeiten konnten, machten sich zu Hause nützlich. Manche flochten in der Stube Weidenkörbe oder fertigten Besen aus Birkenreisig an. Die dreimalige tägliche Viehversorgung war eine gleichbleibende Beschäftigung. Strenger Frost machte Hausbewohnern, vor allem denen mit Viehhaltung, arg zu schaffen. Eingemachtes Gemüse in Gläsern, Kartoffeln, Äpfel und Rüben müssten vor Frost geschützt werden. Draußen stehende Pumpen waren gegen Einfrieren mit Decken umwickelt und mit Strohbunden umstellt.
Früher waren die Wintertage für viele Dorfbewohner sehr einsam. Radio und Fernsehen mit Musik und Unterhaltungssendungen gab es um 1920 nicht. Auch die Tageszeitung war auf dem Lande wenig verbreitet weil gespart wurde. Für das Lesen von Büchern zeigte man ebenso wenig Interesse. Doch lagen Bibel und Gesangbuch bei älteren Personen oft auf dem Tisch in der Stube. Ältere Männer vertrieben sich die Zeit mit dem genussvollen Rauchen aus einer langen Pfeife. Die Pfeife wurde aus Sparsamkeit mit einem Fidibus angezündet. Das waren dünne, gespaltete Fichtenstäbchen, die immer griffbereit gebündelt in Ofennähe hingen.
Wo aber Männer bei sich zu Hause ein Handwerk betrieben, war die Viehversorgung Frauenarbeit. Die verbleibende Freizeit der Frauen wurde ausgefüllt mit der Anfertigung und des Flickens von Kleidung, mit Häkeln und Stricken. Beim Ausbessern von Kleidern, Schürzen, Männerhosen, Jacken u.a. waren oft mehrere Flicken dicht nebeneinander gesetzt. Löcher in Wollstrümpfen, Handschuhen, Unterjacken u.a. wurden gestopft. Neue Kleidung konnten sich nur wenige Familien leisten; denn der Verdienst war allgemein gering. Arbeitslosengeld gab es erst nach 1926 und längst nicht alle Personen waren ab ihrem 65. Lebensjahr "automatisch" Rentenempfänger. Frauen, die eine geringe Rente bezogen, waren meist Witwen.
Wenn Männer bei Zusammenkünften im Gasthaus oder anderen Anlässen in fröhlicher Stimmung waren und sich das Bedürfnis nach einem Imbiss einstellte, lud beim Aufbruch manchmal ein Teilnehmer alle Beteiligten zu einer Vesper bei sich zu Hause ein. Gastwirte auf dem Lande waren damals nicht auf Essen eingerichtet. Der Gastgeber brachte verschiedene Würste aus eigener Hausschlachtung und Brot auf den Tisch und dann wurde tüchtig "gefuttert", wobei die Schnapsflasche noch ein paar Runden machte. Flaschenbier war damals in Haushalten nicht vorrätig.
Quelle: Konrad Diekmann, Dies und das - für jeden was! (Seite 218ff)