Die Silberpappel



Ein Naturdenkmal besonderer Art konnte die Gemeinde Höfingen bis 1943 ihr eigen nennen. Es war die Silberpappel auf dem Besitztum des Landwirts und Müllers Heinrich Beißner Nr. 8, im Volksmunde weit und breit als 'Haegers-Mühle' bekannt.

Sachverständige schätzen den Zeugen aus grauer Vergangenheit auf etwa 600 bis 700 Jahre. Manche Besucher der Mühle und vorüberziehende Wanderer über den 'Räjenbaach' blickten ehrfurchtsvoll auf den alten Riesen, und bewundert formten sich die Gedanken wohl oft zu den Worten: Wenn der erzählen könnte!

An seiner 'dicksten' Stelle hatte der Stamm einen Umfang von rund zehn Metern, der Durchmesser betrug über drei Meter. Wir Chronikschreiber haben uns als Kinder oft Spaß gemacht, den Stamm mit unseren Kinderarmen zu umschließen. Mit zehn, elf Kindern schafften wir es. Im Verhältnis zu seinem gewaltigen Umfange war die Höhe des Baumes gering. Sie betrug etwa 15 Meter.

Eine besondere Anziehungskraft hatte für uns Kinder aber der Riese von innen, der Stamm war nämlich in einer Höhe bis zu vier Metern hohl. Zwei Schlupflöcher, eines direkt über den Erdboden und ein zweites etwa drei Meter höher, luden zu einer geheimnisvollen Kletterpartie ein. Man musste sich zwar etwas "dünne" machen und dann geschickt Ellenbogen und Knie gebrauchen. So schafften wir Jungen es bequem, und jeder von uns war stolz, wenn er das obere Schlupfloch erreicht hatte und unter dem Beifall der Mädchen und anderen Jungen wieder ans Tageslicht kam, und dann geschickt von Knubbel zu Knubbel und von Aststumpf zu Aststumpf am Stamm herabzugleiten. Wie oft wählten wir Höfinger Kinder nach Schulschluss den Heimweg über 'Haegers-Mühle', um uns an dem Erlebnis zu erfreuen!

Ein spaßiges Naturereignis im Zusammenhange mit dieser Silberpappel soll aber auch nicht verschwiegen werden. Eine Henne des Eigentümers hatte sich in den dreißiger Jahren den unter Naturschutz stehenden Baum dazu ausgewählt, im einem verborgenen Winkel des hohlen Stammes ein Nest herzurichten, Eier hineinzulegen und auch auszubrüten. Nachdem sie ungestört ihr Werk vollendet hatte, überraschte sie mit dreizehn munteren Küken ihren Herrn und Besitzer, der nicht wenig über diese Leistung erstaunt war.

Stürme, Blitze und Unwetter hatten den Baumriesen im Laufe des Jahrhunderte arg mitgenommen, die wenigen noch vorhandenen Äste und Zweige im Gipfel reckten ihre Stümpfe trotzig in den Herbsthimmel. Die Blitzeinschläge hatten ihre Spuren in der knorrigen Rinde deutlich hinterlassen., aber den Saftstrom in der ca. zehn bis zwanzig Meter Starken Rinde fand immer wieder die Kraft, Wunden zu heilen, neue Schösslinge zu treiben, und so den Riesen am Leben zu erhalten, ein Symbol der Lebenskraft und des Kampfes ums Dasein in der Natur, symbolisch auch für unser Leben. Ein Feuer im inneren des Stammes, dass durch morsche Holzteile reiche Nahrung fand, hatte den Baum sehr mitgenommen, so das die Absicht, den hohlen Stamm mit Zement auszugießen oder gar auszumauern, um ihn in seiner Urwüchsigkeit der Nachwelt zu erhalten, nicht mehr zur Ausführung kommen konnte. Im Jahre 1943 mussten die Reste dieses Naturdenkmals beseitigt werden. Quelle: Dorfchronik Höfingen