I. KAPITEL Das Dorf Höfingen im Süntelraum im Ablauf der Zeiten

1. Die Landschaft im Süntelraum
Wer von Hessisch Oldendorf kommt und die Bundesstraße 83 beim Chausseehaus in Weibeck verläßt, um weiter der alten Heer- und Poststraße nach Hildesheim zu folgen, und zum "Kalten Heister" hinaufsteigt, dem hebt und weitet sich mit jedem Schritt und Tritt der Blick in eine Landschaft von einmaliger Schönheit.

Zur Linken drängt sich das helleuchtende, gewaltige Felsmassiv des Hohensteins am Anfang des Süntelgebirges ins Blickfeld, malerisch umrahmt vom hellen Grün üppiger Buchenwaldungen. Ein faszinierender Anblick!

Die Augen folgen nach Südosten der im weiten, halbkreisförmigen Bogen ansteigenden Hochfläche des Süntels, verweilen einen Augenblick in den Schluchten und Tälern der Vorberge und bei den vorspringenden, felsigen Kuppen des Südrandes der Kammhöhe und verlieren sich über den dichten Waldflächen des Hochplateaus im blauvioletten Dunst des fernen Horizonts.

Der Süntelturm auf der hohen Egge fesselt als höchster Punkt des Süntelmassivs noch einmal den Blick, der dann zur Paßstraße bei der Pötzer Landwehr und dem Dorfe Pötzen tief hinabgleitet und den Gesichtskreis bei den dunklen Fichtenwaldungen des Kleinen und Großen Finnenberges im Süden beschließt.

Das ist der Rahmen, der dieser Landschaft den besonderen Charakter verleiht; aber Rahmen und Bild sind nicht voneinander zu trennen, sie waren eins im Werden und sind eins im Gesamtbilde der Gegenwart.

Die reiche Mannigfaltigkeit des Gebirgsrahmen setzt sich in den bewegten Bodenformen der Feldmark und der Art der dörflichen Siedlungen fort.

So schweift der Blick von der Heerstraße auf der Höhe des Kalten Heisters nach Süden über weite, fruchtbare Ackerflächen, über die Fischbecker Talsenke bis zu den Waldrändern der Finnenberge und links den steilen, welligen Hang hinab und durch den tiefen Grund der Alber allmählich wieder über leuchtende Fluren und wohlgeordnete Felder und Auen an den sanften Hängen des Kallenbergrückens, mit den sich anschmiegenden Höfen und Wohnstätten der Bewohner des Sünteldorfes Wickbolsen, und weiter bergwärts über die Sünteldörfer Bensen und Haddessen hinaus, zu den Schluchten und kargen Äckern oben am Süntel.

Aus diesem Raum der Landschaft spricht Geborgenheit, Sicherheit und ländliche Ruhe. Und es ist charakterristisch für fast alle Sünteldörfer, daß die Bewohner sich in der Frühzeit in Mulden und Senken dem Schutz der Mutter Erde anvertrauten.

In Jahrtausenden haben sich die Menschen dieses Raumes im Kampf ums Dasein behauptet, und es liegt ein geheimnisvoller Zauber über die Landschaft. Uralter Sagen- und Mythenglanz breitet sich wie ein schimmerndes Seidengewand in den glitzernden Strahlen der Sonne über Felder, Fluren und Wälder, als gelte es, Geheimnisse dieses Erdenwinkels für die Nachwelt zu hüten und zu bewahren. Und es drängt sich wohl die Mahnung von Hermann Löns in den Sinn: "Laß deine Augen offen sein, geschlossen deinen Mund und wandle still, dann werden dir geheime Dinge kund!"

Während dieser Gedanken und Betrachtungen erhebt sich die Chaussee aus der letzten Senke zum letzten Brink, und auf der Anhöhe fesselt im schönsten Wiesengrunde ein liebliches Dorf den Blick. - Welch eine Überraschung! - Es ist das Sünteldorf Höfingen, einst hovenghe, hovinghen, hoevingen im Volksmunde genannt.

So verborgen wie unser Heimatdorf sich in der Landschaft hält, so deckt auch der Schleier der Verborgenheit seine Geschichte im Dunkel der Vergangenheit.

Wir wollen nun versuchen, aus den wenigen vorhandenen Urkunden, Quellen und mündlichen Überlleferungen, unter Heranziehung von Beweisen aus Bodenfunden und möglichen Deutungen und Schlüssen aus kultischen Erinnerungen und Flurbeziehungen und auch nach Aussagen römischer Geschichtsschreiber ein Bild auszubauen, das die Vergangenheit unseres Sünteldorfes Höfingen lebendig werden läßt.